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Digitalisierung, Visionen und Fragezeichen

Der vierte Event Circle des laufenden Jahres gab den Teilnehmenden einen Einblick in die Zukunft der Eventbranche. Setzt sich das Metaversum durch? Auf wieviel Digitalisierung steuern wir zu? Ist TikTok mehr als nur ein jugendlicher Hype? Was ändert sich mit dem neuen Datenschutzgesetz?

Text: Michael Hutschneker / Bilder: Christian Bettinger

Erste lockere Gespräche mit vielen bekannten und auch einigen neuen Gesichtern beim gemütlichen Begrüssungskaffee. Der Auftakt in den letzten Event Circle des Jahres in der Halle 622 beim Bahnhof Zürich-Oerlikon verlief durchwegs gelungen. Auf der Galerie durfte Moderatorin Judith Wernli rund 90 Event-Profis zum Tagesthema «Trends & More: Die Zukunft von Events, Kommunikation und Co.» begrüssen, um vor der ersten Präsentation die Partner und Sponsoren mit einem herzlichen Dank für deren Unterstützung zu danken. Es sind dies der Verbandspartner Blasto, die Service Partner Bataillard, Expomobilia, Feldner Druck, Mix Max Music, Neuerdings Eventdesign, Photo Bettinger, Plot Factory, Smartec, Ticketino, Viven und ZFV, die Medienpartner Mice-tip und Smartville digital sowie die Locationpartner Halle 622 und Winkler Livecom.


Digitalisierung versus analoge Events

Unter dem Titel «Megatrends & More: 5 grosse Transformationen» machte Georges T. Roos zu Beginn seines Referats auf den Unterschied zwischen Megatrends und grossen Transformationen aufmerksam. Bei den grossen Transformationen müssen die drei Kriterien Langfristigkeit, globale Ausweitung und ubiquitär, also sämtliche Bereiche betreffend, erfüllt sein. Gemäss des Zukunftsforschers werden fünf grosse Transformationen die kommenden zehn bis 20 Jahre prägen. Um gleichzeitig zu betonen, dass die aktuellen Krisen wie Covid oder der Angriffskrieg auf die Ukraine viele Unsicherheiten mit sich bringen und den Blick auf die wichtigen Zukunftsthemen verstellen. Von den demografischen Veränderungen durch die Langlebigkeit, der Bio-Transformation, der digitalen Transformation, der geopolitischen Transformation und auch vom Klimawandel ist die ganze Welt betroffen. Gerade was den Klimawandel angeht, sei die Schweiz vergleichsweise überdurchschnittlich gefordert.

«Wir müssen den CO2-Ausstoss drastisch reduzieren und das Leben an den Klimawandel anpassen!»

Und auch wenn sich der Alltag durch die Digitalisierung laufend verändert und auch Dienstleistungen vermehrt davon betroffen sein werden. Für die Eventbranche sieht der Referent dennoch zuversichtlich in die Zukunft. Er glaubt weiterhin stark an analoge Veranstaltungen. Dies auch deshalb, weil sich die Menschen so gegenseitig erleben können.


Von «Brockenstube» und No Shows

«Wir beobachten einen Gegentrend zum hektischen Alltag», verriet Bernadette Heim eingangs der Fragerunde zu Dekotrends. Die Geschäftsleiterin der auf Event-Dekorationen spezialisierten Agentur Energy of Events stellt fest, dass vermehrt separate Bereiche zum Chillen, sozialen Austausch und für Gespräche gefragt sind. Lounges, die teils auch mit Liegestühlen und Hängematten bestückt werden. Ein ebenso deutlicher Trend geht Richtung «Brockenstube», also sehr durchmischte Möblierungen und "Second Hand". Das Wort des Jahres heisse «Upcycling», also Events verknüpft mit Nachhaltigkeit. Gar nicht mit diesem Trend vereinbar sei die teilweise sehr hohe Zahl von "no-shows" an Events. Ein Problem, welches auch Philippe Kiwiz von der Agentur Neuerdings konstatieren muss: «Die Betreffenden wissen gar nicht, was sie mit ihrem nicht Erscheinen alles auslösen». Beide Event-Profis sind von der momentan sehr starken Nachfrage überrascht und sehen sich mangels Kapazitäten und wegen zu wenigen Deko-Unternehmen in der Schweiz sogar gezwungen, attraktive Aufträge ablehnen zu müssen. Bernadette Heim: «Es ist verpasst worden, die Deko-Branche richtig aufzubauen». Nicht zuletzt deshalb ist Kiwiz ein Verfechter einer verstärkten Zusammenarbeit unter Event-Kollegen, um sich gegenseitig auszuhelfen und auszutauschen. Und bezüglich "no-shows" und Food-Waste, könnte gemäss den beiden Dekospezialisten beispielsweise das Versenden von Rechnungen oder das Bereitstellen von Tupperware zur dringend notwendigen Besserung der Öko-Bilanz eines Events beitragen.


Nach dem Begrüssungskaffee hatten die Teilnehmenden während der Pause eine weitere Gelegenheit, sich mit Getränken, Früchten und feinem Gebäck zu erfrischen und beim Networking in entspannter Atmosphäre neue Kontakte zu knüpfen und sich mit schon bekannten Branchenkollegen auszutauschen.


Achtung: Neues Datenschutzgesetz!

Ab 1. September 2023 gilt in der Schweiz ein neues Datenschutzgesetz. Davon betroffen ist auch die Eventbranche. Zwar schützt das Gesetz «nur» Daten von natürlichen Personen, also Mitarbeitenden, Kunden, Partnern etc., aber es gilt für in der Schweiz ansässige Unternehmen, ausländische Unternehmen, die in der Schweiz Daten sammeln oder in der Schweiz ansässige natürliche Personen. Dabei bezieht sich der Datenschutz auf Webseiten, E-Mails, handgeführte Karteien, Anmeldebögen und vieles mehr. In seinen Ausführungen wies Rolf Metz u.a. auch darauf hin, dass eine Datenschutzerklärung obligatorisch ist und leicht zugänglich zur Verfügung gestellt werden muss. Darin erwähnt sein müssen die Identität und Kontaktdaten des Verantwortlichen, welche Daten gesammelt werden, die Bearbeitungszwecke und die Empfänger oder die Kategorien der Empfänger. Eine Zustimmung des Kunden ist nicht notwendig, aber er muss informiert sein. Der Rechtsanwalt riet den Anwesenden in ihren Unternehmen zu einer Inventur resp. einer Bestandesaufnahme: Wer erfasst Daten? Von wem und welche Daten? Zweck? Wer bearbeitet sie? An wen werden sie weitergegeben? Und falls notwendig: Anpassung und/oder Änderung der Datenschutzerklärung. «Vieles bleibt gleich, aber die Mentalität wird sich ändern», so der Referent. War man bisher in der Schweiz in Sachen Datenschutz vergleichsweise locker unterwegs, so sind die Sanktionen erheblich verschärft worden. Die Strafbestimmung sieht vor, dass bei einem vorsätzlichen Vergehen gegen die verantwortliche Person (nicht gegen das Unternehmen) Bussen von bis zu CHF 250'000 ausgesprochen werden können.


ZFV und Halle 622

In kurzen Worten stellte Stefan Hannig den neuen EMC-Partner, die ZFV-Unternehmungen vor. Tätigkeitsfelder des traditionsreichen Betriebs sind die Hotellerie, Gastronomie, Bäckerei, Mensen, Kinderkrippen, Horte, Kinderverpflegung sowie Event Locations und das Catering. Dabei erwähnte der Head of Sales u.a. auch, dass die Kapazität für das Catering bei Events bis zu 2000 Gästen möglich ist.

Die Vorstellung der gastgebenden Location Halle 622 war Irena Aeschlimann vorbehalten. Die Abteilungsleiterin Events & Konzerte bei der Maag Music & Arts AG erwähnte u.a. die drei grossen Geschäftsfelder des Unternehmens: Die Locations Halle 622 in Oerlikon sowie beim Bahnhof Hardbrücke die Maag Halle und die Lichthalle Maag. Geeignet sind diese Räumlichkeiten für die unterschiedlichsten Events von 20 bis zu 3500 Gästen. Der Bereich Gastronomie umfasst neben den Events vier Gastro Outlets und das dritte Geschäftsfeld beinhaltet Shows und Ausstellungen. Im Anschluss an die Präsentationen und Referate konnten sich die Event-Profis bei einem geführten Rundgang durch die Räume der Halle 622 selbst ein Bild von den Vorzügen der grosszügigen und vielseitigen Event-Location machen.


Vegi vom Feinsten

Als Suppen-Vorspeise ein Kürbis Panna Cotta, Marroni Velouté mit caramellisierten Haselnüssen und Mascarpone, der Hauptgang eine Auberginenpolpelette mit gefühlten Kohlraben, geschmorter Rande, Kräutersauce, Süsskartoffelpurée und Blumenkohlmousseline und zum süssen Abschluss eine Schoggimousse mit Clementinenschnitz. Die Küche des Event-Caterers Dolce far Niente hat mit ihrem ebenso kreativen wie schmackhaften Vegi-Menu eindrücklich bewiesen, dass auch ein fleischloser Lunch äusserst genussvoll sein kann. Platz genommen hatten die Geniesser an einer eindrücklichen 34 Meter langen Tafel unter kerzenhaften Kronleuchtern. Ein ganz und gar prächtiger Anblick. Musikalischer Genuss war zum Abschluss der Mittagspause durch den Schweizer Sänger und Songwriter Nickless garantiert. Gemeinsam mit einem «Gitarren-Kollegen» gaben die jungen Künstler live einige Hits zum Besten. Der verdiente Applaus war den sympathischen Gitarristen, Sängern und Beatboxer auf sicher.


Metaversum: Durchbruch oder Flop?

Nur vier Prozent der Deutschen und vermutlich auch Schweizer können erklären, was mit dem Begriff Metaversum gemeint ist. Also liegt es an Daniel Hünebeck von der Digital GmbH, etwas Licht ins Dunkle zu bringen. Auf einen kurzen Nenner gebracht, ist Metaverse eine virtuelle Welt, resp. eine Weiterentwicklung des Internets, welches auf virtueller Realität basiert. Dabei, so der Digital Marketing Experte, gibt es viele Formen des Metaverse. Von Spielen über Online-Gemeinschaften, Business Meetings, Virtual Reality bis zu Bezahlformen. Ob Metaverse wirklich das neue Internet wird und alles Bisherige in den Schatten stellt oder ein zweites Second Life und zum Scheitern verurteilt ist? Eine abschliessende Antwort hat auch Hünebeck nicht, denn die Entwicklungszeiten nehmen viel Zeit in Anspruch und es seien auch viele kritische Stimmen zu hören. Fakt ist jedoch, dass sich schon heute mehr als zwei Millionen User beim Spielen auf Roblox einloggen. Als Nutzen aus der Entwicklung hat der Experte etwa virtuelle Meetings (auch dreidimensional), virtuelles Lernen und Classrooms, virtueller Sport, virtuelles Reisen und auch Marketing und Markenpräsentationen ausgemacht. So betreibt etwa Nike mit Nikeland ein eigenes Spiel auf Roblox. Wie immer sich das Metaverse in den kommenden Jahren entwickeln wird: Hünebeck rät den Anwesenden sich Gedanken darüber zu machen, welche Möglichkeiten es gibt und welchen Nutzen es haben könnte, die Entwicklung zu beobachten und auch zu testen. Um aber eine allenfalls aufkeimende Euphorie zu relativieren: «Es braucht einen sehr langen Atem und niemand weiss, ob es sich wirklich jemals richtig durchsetzen wird.»


«Digitales Storytelling»

Vor Corona war vieles anders: Volle Messehallen, zahllose sehr gut besuchte Events, Partys und Veranstaltungen jeglicher Art. Heute sei beim Publikum jedoch eine gewisse Zurückhaltung zu spüren; die Pandemie hat einiges verändert. Als Alternativen zu Live-Veranstaltungen bieten sich virtuelle Szenarien an. Unter dem Titel «Fairs & Events – be prepared for the next big thing» zeigte sich Benjamin Lechler überzeugt, dass heute jedes Unternehmen seine Produkte, seine Lösungen und sich selbst in einer neuen Dimension präsentieren muss. «Aber», so die Warnung des Experten der Nürnberger Cueconcept GmbH, einer Digitalagentur für Kommunikation im Raum, «Digitalisierung kann nicht emotionalisieren!». Anhand von live vorgetragenen Beispielen zeigte Lechler auf, wie ein Exponat von einer Messe digital nachgebaut und aus der Produktion in den 3D-Raum eingefügt wird. «Digitales Storytelling», heisst das Zauberwort, also weg von Power Points hin zur Kommunikation in der dritten Dimension. Messen und Events seien eine hervorragende «Keimzelle» für den digitalen 3D-Workflow der Zukunft. Es gelte, auch in diesen Segmenten digitaler zu denken. Mittel- und langfristig werde sich die Digitalisierung auch im Marketing und Sales durchsetzen. Als «next big thing» prognostiziert Lechler die Konnektivität:

«Wir müssen da sein, wo unsere Kunden sind, da sein, wo wir Business generieren können.»

TikTok auf der Überholspur

Für Lorenz Hanselmann und Tim Schaerer gibt es keine Zweifel: TikTok ist die spannendste Social Media Plattform. Und sie sind mit dem Ziel in die Halle 622 gekommen, die Event-Profis mit ihrer Faszination anzustecken. TikTok ist längst viel mehr als nur Tanzen und Musik. TikTok ist meinungsbildend, aufklärend, überraschend und natürlich auch unterhaltend. Die noch junge Agentur Monami GmbH schafft Inhalte, nicht nur, aber sehr gezielt auch für TikTok. Und nutzt die Gunst der Stunde. Denn die Plattform wächst auch in der Schweiz rasend schnell und, man lese und staune, 44 Prozent der Nutzer sind 25 und älter. Den Hype erklären sich die kreativen Köpfe so: TikTok ist intuitiv in der Bedienung, quick und dirty in der Erstellung, günstig in der Bewerbung um Reichweite zu erlangen und dominierend bei Trends. Und vor allem ermögliche TikTok eine ganz neue Art von Storytelling. «Ein Brand sollte auf dieser Plattform deshalb nicht Sales pushen, sondern Storys erzählen», so der Rat von Hanselmann und Schaerer. Einige Beispiele aus der «Monami-Küche» zeigten den Anwesenden auf, wie sich ein erfolgreicher Video-Auftritt präsentiert. Das Credo der beiden professionellen TikToker: Mutig sein, auch mal Scheitern, analysieren, optimieren und... Erfolg haben!


Den Abschluss des inspirierenden und aufschlussreichen EMC bildete die Tageszusammenfassung von Moderatorin Judith Wernli, der Hinweis auf den nächsten Event Circle am 7. Februar 2023, sowie ein weiteres angeregt-gemütliches Zusammensein beim XXL-Apéro riche mit feinen Tropfen und allerlei kulinarischen Köstlichkeiten aus der Dolce far Niente-Küche.

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